Kubala kam mit einem blauen Auge davon

Rhein-Neckar-Zeitung, 10.10.2012 – Von Alexander Albrecht

Mannheim. Die Julis trauern. Das hat am Dienstag Nachmittag weniger mit schlechten Umfragewerten der Mutterpartei FDP als mit der aktuellen Mannheimer Kommunalpolitik zu tun. Ein Dutzend schwarz gekleideter Jungliberaler versammelt sich vor dem Sitzungssaal im Stadthaus und trägt den „Change2 Prozess“ symbolisch zu Grabe. Unter diesem Titel steht das Ziel von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, die Verwaltung zu verschlanken und zu modernisieren.

Nun aber wolle die Quadratestadt auf Betreiben von SPD, CDU und Grünen wieder ein fünftes Dezernat schaffen. Geschätzte Personalkosten: 530.000 Euro für Büro und Fahrer, dazu rund 100.000 Euro an Sachkosten. Viel zu teuer und überflüssig, schimpfte der Bund der Steuerzahler und widmete den Ausgaben für die Spitzenposition ein Kapitel in seinem kürzlich erschienenen Schwarzbuch. Den 113 Seiten starken Bericht drücken die Julis sämtlichen Stadträten und Verwaltungsmitarbeitern in die Hand. Auch Felicitas Kubala.

Mit einem freundlichen Nicken nimmt sie das Werk entgegen und zieht eiligen Schritts in den Sitzungssaal. Die 56-jährige Berlinerin will sich später als fünfte Bürgermeisterin mit den Zuständigkeitsbereichen Bürgerservice, Umwelt und technische Betriebe zur Wahl stellen. Zuvor hören die 47 Stadträte – nur Roland Weiß (Mannheimer Liste) fehlt – einen Fachvortrag zum ernsten Thema „Die Mannheimer Stadtverwaltung und die Vernichtung jüdischer Existenzen im Dritten Reich“.

Zügig geht anschließend die Wahl von Lothar Quast (SPD) zum Bürgermeister für Planung, Bauen, Verkehr und Sport über die Bühne. Er erhält 36 der 47 abgegebenen Stimmen – kein überragendes, aber ein ordentliches Ergebnis. Quast steuert nun seine vierte Amtszeit an. Es folgt die mit Spannung erwartete Abstimmung über den fünften Bürgermeisterposten. Neben Felicitas Kubala gibt es drei weithin unbekannte Bewerber, die ohne „politische“ Unterstützung antreten. Der Gemeinderat verzichtet auf eine Vorstellungsrunde der Kandidaten.

Ob es Fragen an das Quartett gebe, will OB Kurz wissen. Nur Gabriele Thirion-Brenneisen meldet sich. „Warum Mannheim?“, will sie von ihrer grünen Parteifreundin Kubala wissen. „Warum nicht Mannheim?“, antwortet die Berlinerin, spricht von vielen positiven Eindrücken, über freundliche Menschen, dass sie sich willkommen fühle; die „linke Szene“ und die „kulturelle Vielfalt vom Nationaltheater bis hin zu anderen großen Projekten“ spannend fände.

„Spannend“ – das Wort nimmt Kubala oft in den Mund, ansonsten nennt sie Allgemeinplätze. Weitere Fragen? Fehlanzeige! Die Stadträte schreiten zur Urne. Als Kurz das Abstimmungsergebnis verkündet, geht ein Raunen durch den Saal. Kubala erhält gerade mal 26 Stimmen, nur zwei „über den Durst“. Zehn Wahlzettel sind ungültig, neun leer, für ihren Konkurrenten Volkan Agabey votieren zwei Kommunalpolitiker.

FDP-Fraktionschef Volker Beisel lächelt in die Kameras. „Offenbar hat unser offensiver Protest gefruchtet“, sagt er zufrieden. Im Vorfeld der Wahl hatte auch die Mannheimer Liste (ML) nicht mit Kritik gespart. „Die Stadt ist eben kein Selbstbedienungsladen“, fühlt sich Stadtrat Professor Achim Weizel bestätigt. FDP und ML sind zwar der Meinung, dass den Grünen der Extra-Posten zusteht, aber dann hätten eben SPD oder die CDU auf einen ihrer Dezernenten verzichten müssen. Haben sie aber nicht.

SPD-Stadtrat Dr. Stefan Fulst-Blei rät Kubala, „mit guter Arbeit das Vertrauen zu gewinnen“, während der Grüne Wolfgang Raufelder „enttäuscht“ ist und der CDU die Schuld für das schlechte Abschneiden der gemeinsamen Kandidatin zuschiebt. „Wir haben Frau Kubala mehrheitlich gewählt“, lässt sich CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen den Vorwurf nicht gefallen.

Und wie geht es der „Neuen“ an der Stadtspitze? „In der Politik gibt es oft knappe Ergebnisse. Ich bin jetzt gewählt“, sagt Felicitas Kubala entschlossen. Sie wolle sich auch nicht über Kritik Gedanken machen, die ja mit ihrer Person nichts zu tun habe – was richtig ist. Die neue Aufgabe beginnt die frühere Leiterin des Umweltamts Steglitz, die für die Grünen-Fraktion derzeit noch im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt, am 1. Januar 2013. In den acht Jahren Amtszeit muss Kubala dann beweisen, dass sie mehr ist als eine Kostenstelle.