Erinnerung nur mit einer Einschränkung

Kommunalpolitik: Gemeinderat mit großer Mehrheit gegen Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Heinrich Vetter – aber für ein ergänzendes Schild

Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge© Mannheimer Morgen, Donnerstag, 02.05.2013   /

Die 1999 verliehene Ehrenbürgerschaft für den 2003 verstorbenen Mäzen Heinrich Vetter wird nicht widerrufen. Allerdings sollen nach ihm benannten Säle oder Wege mit einem Schild versehen werden, wonach ein Teil seines Vermögens aus der „Arisierung“ von jüdischem Besitz stammt. Über den genauen Text wird hinter den Kulissen noch gerungen und dann im Ältestenrat des Gemeinderats abgestimmt. Darauf einigte sich jetzt mit großer Mehrheit der Gemeinderat. Dagegen waren Grüne und einige SPD-Stadträte.

„Wir haben erst angefangen, uns mit dem düsteren Kapitel zu beschäftigen. Unsere Stadtgesellschaft muss eine Erinnerungskultur erst entwickeln“, meinte Gerhard Fontagnier (Grüne), der wie seine Fraktionsvorsitzende Gabriele Thirion-Brenneisen forderte, über Vetter noch gar keine Entscheidung zu treffen: „Erst mit dem Aufbau einer Erinnerungskultur werden wir auch Maßstäbe für Konsequenzen aus den Erkenntnissen diskutieren“, so Fontagnier. Vetters Geld stamme „zu einem Gutteil aus menschenverachtender Bereicherung“, weshalb er ihm keine Ehre erweisen könne.

„Große Leistungen erbracht“

Dass weitere Schritte der Aufarbeitung folgen müssen, weil auch die Stadt selbst stark von zuvor jüdischem Eigentum profitierte – darin waren sich Redner aller Fraktionen völlig einig. SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Eisenhauer ließ aber erkennen, wie lange die Sozialdemokraten über den Umgang mit Vetter mit sich gerungen haben. Zwar sei die Fraktion mehrheitlich, aber nicht komplett gegen eine Streichung seines Namens von der Ehrenbürgerliste. „Aber die Verleihung war und ist kein Ruhmesblatt für den Gemeinderat. Die Ehrung war nicht ehrenhaft, sondern leichtfertig, denn die ,Arisierung‘ war bekannt“, sagte Eisenhauer.

Dieser Formulierung widersprach CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen. Zwar könne man die Verleihung heute „zweifelhaft“ nennen, „denn es gab auch dunkle Seiten in seiner Biografie“. „Aber er hat als Unternehmer und Mäzen große Leistungen für die Stadt erbracht und sein gesamtes Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt, deshalb gab es gute Gründe, ihn zu ehren“, betonte Südmersen. Die Zusatzschilder als Teil einer „aktiven Erinnerungskultur“ fänden aber die Zustimmung der CDU, sagte er.

„Man muss das Gesamtbild seines Lebens würdigen und darf Vetter nicht auf einen Zeitraum reduzieren“, sprach sich auch Prof. Dr. Achim Weizel (ML) gegen eine Aberkennung aus. „Aktive Erinnerung bringt mehr als Streichung“, meinte Dr. Elke Wormer (FDP).

„Man wusste, woher sein Geld kam, aber man bewertete es anders“, meinte Thomas Trüber (Linke). Er erinnerte daran, wie man Vetter in der Hoffnung auf Spenden „gehuldigt“ habe und plädierte dafür, „die Ehrenbürgerschaft beizubehalten und das Hinweisschild als Stolperstein der Geschichte“ zu sehen.

„Es gab nicht eine kleine Gruppe von Tätern, es war die breite Gesellschaft“, wies Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz darauf hin, dass die „Arisierung“ in Mannheim eine „erschreckende Dimension“ gehabt habe. Man dürfe das Thema daher nicht nur auf Vetter verengen: „Es macht wenig Sinn, einen Namen zu tilgen“. Eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft sei ein besonders einschneidender, symbolischer Akt, den man bisher nur bei Adolf Hitler gemacht habe und der „verhältnismäßig sein müsse“. Er plädiere daher für einen „würdigen Umgang mit der Erinnerung, die öffentlich wahrnehmbar ist“.