Mannheimer Morgen, 1. Februar 2010 (von Timo Schmidhuber)

Attraktives Bauland schaffen und gleichzeitig Geld einnehmen zur Entspannung der Haushaltslage: Mit der Umwandlung von großen Grundstücken in Baugebiete will die Stadt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Vermarktung von Bauplätzen auf dem Gelände der Sickingerschule in den T-Quadraten, der Theodor-Heuss-Schule in Käfertal und des Victor-Lenel-Hauses in der Gartenstadt soll in den nächsten vier Jahren geschätzte 15 Millionen Euro bringen. Oberbürgermeister Peter Kurz hatte in seiner Etatrede kurz vor Weihnachten außerdem noch den 48er-Platz auf dem Almenhof als mögliche Baufläche genannt – nach Protesten von Bürgern legte er diese Pläne aber erst mal auf Eis.

Auch wenn diese Verkäufe helfen, das 360-Millionen-Euro-Loch zu schließen, das bis 2013 im Etat klafft – für Kämmerer und Ersten Bürgermeister Christian Specht ist ein anderes Ziel noch viel wichtiger: „Wir wollen Mannheimern und Auswärtigen, die ein Haus bauen wollen, gute Grundstücksangebote machen können.“ Denn diese Häuslebauer seien wichtig für die Stadt – nicht nur weil sie Einkommenssteuer zahlen, sondern weil sie sich auch in Vereinen engagieren und so das gesellschaftliche Leben bereichern. Die Stadt will die einzelnen Bauplätze selbst an die Bauherren verkaufen.

Warum die Wahl im Rathaus ausgerechnet auf diese drei Flächen gefallen ist, hat unterschiedliche Gründe. Das Lenel-Haus, in dem die Arbeiterwohlfahrt ein Heim für Suchtkranke betreibt, braucht dringend eine Sanierung, die sich bei dem alten Gebäude aber gar nicht mehr lohnt. Gleichzeitig ist das Areal prädestiniert für eine Wohnbebauung: Es liegt direkt am Käfertaler Wald, die geplante Stadtbahn-Nord würde in der Nähe halten. Bei den beiden Schulen sprechen laut Specht ebenfalls nötige Sanierungen sowie rückläufige Schülerzahlen für eine Schließung – die Schüler sollen auf andere Einrichtungen ausweichen. Die Neubebauung des Sickingerschule-Areals habe durch das Aufbrechen der Trennung der Quadrate S 4/5 und T 4/5 zudem eine städtebauliche Komponente.

In den Schulen stoßen die Pläne auf wenig Verständnis. „Die Nachricht hat uns geschockt, wir haben mit so etwas nicht gerechnet“, sagt Thomas Schneider, Leiter der Sickingerschule, einer Haupt- und Werkrealschule mit 180 Schülern, davon über 90 Prozent mit Migrationshintergrund. Eine Bürgerinitiative wie beim 48er Platz ist hier nicht zu erwarten – die Lehrer können schlecht selbst mobilmachen, einen Elternbeirat gibt es nicht. „Wir sind auch für eine Aufwertung der östlichen Unterstadt, aber wir wären gerne Teil des Konzepts gewesen.“ Auch in der Theodor-Heuss-Schule mit ihren 300 Grundschülern herrscht Betroffenheit. „Zu uns kommen Kinder vom Waldhof-Ost, wir übernehmen hier eine wichtige soziale Funktion und sind ein kultureller Mittelpunkt im Stadtteil“, sagt Rektor Wolfgang Claasen. Elternbeirat und Förderverein haben für Dienstag um 17.30 Uhr eine Info- und Demoveranstaltung in der Schule organisiert. Unproblematisch ist die Situation dagegen im Victor-Lenel-Haus – die Awo will ihre Einrichtung an anderer Stelle weiterbetreiben.

Die Fraktionen im Gemeinderat signalisieren Zustimmung zu den Verkäufen – auch wenn man die Entscheidung mit Blick auf die Sickingerschule und ihre gute pädagogische Arbeit „schweren Herzens“ treffe, wie SPD-Fraktionschef Stefan Fulst-Blei betont. Für Wolfgang Raufelder (Grüne) ist wichtig, dass bei der neuen Nutzung der Flächen ökologische und soziale Belange berücksichtigt werden. „Die Stadt muss Einnahmen aus Vermögensverkäufen erzielen, um den Haushalt zu finanzieren“, sagt Carsten Südmersen (CDU) – Thomas Trüper (Linkspartei) und Elke Wormer (FDP) teilen diese Position. Die Mannheimer Liste bleibt dagegen skeptisch. „Vermögen verkaufen löst das Problem nicht, weil das Loch im Haushalt im nächsten Jahr wieder da ist“, sagt Stadtrat Rolf Dieter.