Zukunfts-Marken zwischen Grünzug und Ingenieurs-Meile

Konversion: Gemeinderat bringt „Weißbuch“ auf den Weg / Kontroverse Debatte im Stadthaus N 1

Von unserem Redaktionsmitglied Thorsten Langscheid – Mannheimer Morgen 15.02.2012

Am Ende einer gut zweistündigen Debatte riss dem Oberbürgermeister gestern Abend doch noch der Geduldsfaden: Als die FDP-Fraktion im Gemeinderat wiederholt beklagte, die Stadtverwaltung wolle das Weißbuch Konversion im Rat „durchpeitschen“, die Stadträte sollten das 182 Seiten starke Werk lediglich „abnicken“, ohne es inhaltlich diskutieren zu dürfen, ging Dr. Peter Kurz (SPD) die Liberalen im Stadthaus N 1 heftig an. Der Fraktionsvorsitzende Volker Beisel und seine Kollegen würden lediglich den Versuch unternehmen, sich politisch zu profilieren. „Sie haben es ja derzeit besonders nötig“ – spielte das Stadtoberhaupt auf die schlechten Umfragewerte der Freidemokraten an.

Ein Grünzug, eine Ingenieurs-Meile: solche und andere Eckpunkte des Weißbuchs, eine Art Sammlung von Zukunfts-Marken der Stadtentwicklung auf den freiwerdenden amerikanischen Kasernenflächen, seien bereits vor Weihnachten im Rat eingebracht worden. Von „durchpeitschen“ und „abnicken“, wie SPD-Stadtrat Reinhold Götz klarstellte, könne überhaupt nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Das Weißbuch als Dokumentation der bisherigen Diskussionen in Bürgerforen und Expertenrunden sei intensiv im Gemeinderat und seinen Ausschüssen diskutiert worden.

Letztlich konnten sich auch die Liberalen – ebenso die Mannheimer Liste und Einzelkämpfer Roland Weiß – dem Charme dieser breiten Bürgerbeteiligung nicht entziehen. So gab das Stadtparlament dem Weißbuch, immerhin dem ersten in der Mannheimer Kommunalpolitik, einstimmig seinen Segen.

Gegenstimmen von der FDP und Enthaltungen von Mannheimer Liste und Weiß gab’s allerdings beim zugehörigen Beschluss, dass die Stadt die Flächen der Amerikaner möglichst komplett erwerben solle. „Einen solchen Freibrief wollen wir Ihnen nicht geben“, formulierte ML-Stadtrat Professor Dr. Achim Weizel seine Bedenken. Kurz räumte ein, dass der Kauf der Kasernen lediglich eine Zielvorgabe sein könne. Sollte es zu Vertragsabschlüssen über den Erwerb kommen, müsse der Gemeinderat dies in jedem Einzelfall noch einmal ausdrücklich beschließen. Bei der Gelegenheit wies Kurz Spekulationen zurück, die Kosten für den Kauf von rund 500 Hektar Grund und Boden könnten sich auf eine halbe Milliarde Euro summieren: „Das sind Mondzahlen, die weit außerhalb dessen liegen, was wir für realistisch halten.“

Einhellige Zustimmung zum weiteren Vorgehen der Rathausspitze gab es von SPD, CDU, Grünen und Linken: Der Abzug der Amerikaner eröffne der Stadt einmalige historische Möglichkeiten, so SPD-Chef Ralf Eisenhauer. Sein CDU-Kollege Carsten Südmersen wies auf Chancen und Risiken hin, Wolfgang Raufelder (Grüne) freute sich vor allem über die Idee des Grünzuges durch die Kasernen: „Ich kann mich an Zeiten erinnern, in denen Sie Grünzüge bevorzugt zugebaut haben!“