Mannheimer Morgen, 29. September 2009. Von den Redaktionsmitgliedern Heiko Brohm und Timo Schmidhuber

Das neue Leben als Abgeordnete beginnt früh. Zumindest war das gestern bei der frisch gewählten FDP-Politikerin Birgit Reinemund so. Schon um 6.30 Uhr hob der Flieger nach Berlin ab, dort stand eine erste Fraktionssitzung auf dem Programm. Am Abend ging“s dann weiter nach Stuttgart, wo sich die Landes-Liberalen trafen, um ihr gutes Ergebnis zu feiern. Bereits eine Woche vor der Wahl habe sie die Order von der Parteizentrale bekommen, sich für Montag einen Flug nach Berlin zu buchen. Ganz sicher war man sich aber offenbar noch nicht, der Flug sollte stornierbar sein.

Dieses Rücktrittsrecht musste Birgit Reinemund nicht annehmen, dank eines „unglaublich guten Ergebnisses“ der Liberalen. 14,5 Prozent im Bund, 15 in Mannheim, und sie selbst hat als Kandidatin knapp neun Prozent geholt. „Damit habe ich mein Erststimmen-Ergebnis von 2005 verdoppelt“, hatte sie noch am Wahlabend bei der FDP-Party im „Le Café“ gesagt, wo zeitweise bis zu 70 Mitglieder und Anhänger von „Gelb“ anstießen. Ihre Partei sei im Auftrieb, sagt Reinemund, es gebe immer mehr Eintritte, schon vor der Wahl habe man die für Mannheim „magische 200-Mitglieder-Marke“ überschritten.

Per Flugzeug oder Bahn

Mehr Mitglieder verspricht sich auch die Linke vom guten Ergebnis am Sonntag. Kandidat Michael Schlecht, über die Landesliste ebenfalls ins Berliner Parlament eingezogen, will künftig verstärkt die Kontakte in die Betriebe pflegen, in der Region und in ganz Baden-Württemberg. „Auf diese Weise können wir noch viele Mitglieder gewinnen“, sagt er und verweist auf das Beispiel Udo Belz. Der langjährige Alstom-Betriebsratschef war kurz vor der Wahl in die Linkspartei eingetreten.

„Das Verhältnis zwischen Wahlzustimmung und Mitgliederzahlen ist bei uns ein Problem“, erklärt Schlecht, der sich in seinem Job als Chef-Volkswirt bei Ver.di jetzt erstmal beurlauben lässt. Für Mannheim gibt er das Ziel aus, die Zahl der Mitglieder in den nächsten Jahren von derzeit rund 150 mindestens zu verdoppeln.

Noch am Sonntagabend nahm der alte und neue Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick – anders als seine fliegenden Kollegen – den Nachtzug nach Berlin. „Jetzt hatten wir Parteirat, am Dienstag trifft sich die neue und die alte Fraktion, da werden wir einen groben Fahrplan für die nächste Zeit vorlegen“, sagte Schick gestern, unter den drei Kleinen in Mannheim ist er der „Erststimmenkönig“. Auch wenn bei den Bundes-Grünen die Stimmung ob des katastrophalen Abschneidens der SPD schwanke, „in Mannheim hatten wir Grüne doch ein exzellentes Ergebnis“. Schick betont, dass seine Partei „kontinuierlich“ bei den vergangenen Wahlen in der Stadt zugelegt habe, auch die Mitgliederzahlen seien auf einem guten Weg. Weiteres Wählerpotenzial hat er schon ausgemacht: Die Wähler der Piratenpartei wären inhaltlich „bei uns gut aufgehoben“.