Mannheimer Morgen, 20. Februar 2010 (von Roger Scholl)

Ein 352 Millionen Euro tiefes Loch tut sich auf vor dem Oberbürgermeister und seinem Gemeinderat, die Krise hat die Stadt im Griff, in den Beratungen zum Etat 2010/2011 diktiert der Zwang zum Sparen und Streichen jedes politische Handeln. Das alles trifft den Bürger unmittelbar, und beim MM-Forum wird auch schnell klar, was die Menschen hier am meisten drückt: Gebührenerhöhungen in den Kindertagesstätten, Schulschließungen, Grundsteuererhöhung – die Brennpunktthemen des Abends.

Volles Haus beim Forum im Saal der Abendakademie, die Mannheimer erleben eine mit Verve geführte vorgezogene Haushaltsdebatte, bei der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz eindeutig im Zentrum des Bürgerinteresses steht. Er bleibt den ganzen Abend lang Adressat der allermeisten Fragen aus dem Plenum. Kurz wirbt energisch für seinen Kurs. Dass der Zwang dabei nicht zum Maßstab allen Handelns werden dürfe, dass man die Pflicht zum Gestalten habe, ist ihm so wichtig, dass er es gleich mehrfach wiederholt.

Etwa beim Brennpunkt-Thema Gebührenerhöhung in Kindertagesstätten: Wir haben hier eine jährliche Kostensteigerung von fünf Millionen Euro, vor diesem Hintergrund haben wir uns entschieden, die Gebühren der städtischen Einrichtungen an die der kirchlichen Träger anzupassen. Der soziale Bereich, Kinder, Jugend und Schule mache 55 Prozent der städtischen Ausgaben aus – ein eindeutiger Handlungsschwerpunkt für uns, wir investieren hier, wo wir es für richtig halten, aber wir kommen eben auch da nicht ohne Einsparungen aus.

Einsparungen, Mehreinnahmen durch Gebührenerhöhungen oder Grundstücksverkäufe wie beispielsweise an der Theodor-Heuss-Schule und eine moderate Neuverschuldung – auf diesen drei Säulen ruht auch für Dr. Stefan Fulst-Blei der Haushaltsentwurf. Dass der SPD-Fraktionschef dabei etwa auch gewachsene Bildungslandschaften zerschlage mit der Schließung der Heuss-Schule – dieser Vorwurf kommt von betroffenen Eltern im Saal – will er nicht auf sich sitzenlassen: Wir investieren trotz Krise weiter, aber in dem Fall kommen wir nicht um die Schließung herum, zu schlecht sei der Zustand der Gebäude, zu niedrig die Schülerzahl und zu nah eine Alternativschule.

Herkules-Aufgabe Haushalt

Ein Thema, das auch Wolfgang Raufelder bewegt: Unser Meinungsbildungsprozess ist da noch nicht abgeschlossen, versichert der Fraktionschef der Grünen, klar sei aber: Das Land lässt uns bei der Bildungspolitik im Stich, beklagt er unter dem Beifall des Publikums. Den bekommt auch Thomas Trüper (Linke), als er jede Gebührenerhöhung zulasten von Kindern ablehnt. Für CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen ist Sparen das Ziel. Steuererhöhungen sieht er als rotes Tuch. Um Schulschließungen kommen wir dennoch wir nicht herum. Das Tafelsilber, städtische Unternehmen wie MVV oder GBG, werde von der CDU nicht angefasst. Volker Beisel (FDP) will angesichts der Krise gar einen gelben Tabubruch begehen und die Schuldenbremse lockern, moderat und auf Zeit. Rolf Dieter von der ML will einen anderen Weg: Mehrausgaben an einer Stelle müssen durch eine Umschichtung woanders gestemmt werden.

Dass die Debatte ein versöhnliches Ende findet, dass man sich auf dem Podium einig zu sein scheint, angesichts der Herkules-Aufgabe Haushalt nicht in kleinliches Parteiengezänk zu verfallen, honorieren die Menschen im Plenum mit viel Beifall. Bei den Beratungen Anfang März müssen die Politiker jetzt Farbe bekennen.