Am Weißbuch scheiden sich die Geister

Kritik von CDU, FDP und Mannheimer Liste: „Wo bleibt die Wirtschaft?“

Im Gemeinderat herrscht selten soviel Harmonie wie beim Thema Konversion, doch treten in der Debatte um das weitere Vorgehen bei der Umwidmung der freiwerdenden amerikanischen Kasernen zunehmend auch unterschiedliche Auffassungen der Kommunalpolitiker zutage. So gab der Hauptausschuss des Stadtparlaments der Rathausspitze wie berichtet seinen Segen, die 510 Hektar Militärgelände nach Möglichkeit als Sanierungs- oder Entwicklungsgebiet mit entsprechenden Beschränkungen für Eigentümer und Investoren auszuweisen.

„Blumig formuliert“

Allerdings zeigten sich Stadträte von CDU, FDP und Mannheimer Liste (ML) unzufrieden mit den vom Konversionsbeauftragten des Oberbürgermeisters, Dr. Konrad Hummel, vorgelegten Eckpunkten für das demnächst erscheinende „Weißbuch Konversion“. Dieses Werk solle zwar, so Hummel „mehr als Prozess und weniger als fertiges Buch“ verstanden werden, aber dennoch als Grundlage der weiteren Planungen dienen. Für die SPD begrüßte Fraktionsvorsitzender Ralf Eisenhauer das Vorgehen, seine Grünen-Kollegin Gabriele Thirion-Brenneisen lobte das Verfahren als „zukunftsweisend.

„Blumig formuliert“ sei das Ganze, wie CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen seine Kritik in freundliche Worte kleidete. Doch fehle neben vielen Angaben zu Themen wie „Wohnen“ oder „Wissenschaft“ vor allem das Stichwort „Wirtschaft“. Südmersen: „Da findet man sich nicht so richtig wieder.“ In dieselbe Kerbe hieb auch Südmersens FDP-Kollege Volker Beisel. Die Liberalen halten es außerdem nicht für nötig, dass die Stadt alle Grundstücke von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) erwirbt. Zum Beispiel die in den Experten- und Bürgerbeteiligungsrunden für eine ganze Reihe der Kasernen vorgeschlagenen „Kunst- und Arbeitshöfe“ müssten sich nach Beisels Auffassung, „wenn es den Wunsch danach gibt, ja mit privaten Investoren erreichen lassen.“ Schon jetzt zeichne sich ab, dass die 510 Hektar gar nicht als „Gesamtpaket“ (Südmersen) zu haben sind. Gegen diese Komplett-Kauf-Absicht der Stadt wandte sich auch ML-Stadtrat Rolf Dieter. Die Einstufung als baurechtlicher Außenbereich biete dem Rathaus ausreichend Einflußmöglichkeiten, ein Zwischenerwerb durch die Stadt komme für die ML nur dort in Frage, „wo es gar nicht anders geht“.

Außerdem machte sich Dieter als Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald für die Aufforstung von Teilen der Kasernenflächen stark. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz dankte den Beteiligten für das „bemerkenswerte Verfahren“, das in der Konversionsdebatte „Ergebnisse gebracht hat, die wir im Rahmen eines klassischen Planungsverfahrens nicht erzielt hätten“. Das Weißbuch setze „ein klares Signal“ für Investoren auf mehr Verlässlichkeit.

Die Konversion werde dabei, so Baubürgermeister Lothar Quast, mit den fünf Marken „energetisches und qualitätsvolles Bauen“, „Wohnen und Zusammenhalt“, „Kunst- und Arbeitshöfe“, „Campus- und Ingenieursmeile“ sowie „grün und blau Rhein-Neckar-Park“ definiert.

Mit der BImA verhandelt die Stadt seit einiger Zeit über den Ankauf der Turley-Kasernen und arbeitet an einem Nutzungskonzept aus hochwertigen Wohnungen, High-Tech-Industrie, Kunst-, Bildungs- und Verwaltungseinheiten, wie Konversionsbeauftragter Hummel gestern dem „MM“ erläuterte. Um es zu realisieren und zu finanzieren, müsse aber mit dem Bund ein „politischer Kaufpreis“ gefunden werden.

Mannheimer Morgen,  Februar 2012