Mannheimer Morgen, 24. September 2009. Von den Redaktionsmitgliedern Thorsten Langscheid und Roger Scholl.

Der lahmste Wahlkampf der Geschichte? „Yes, we gähn“? Der politische Schlagabtausch als Sandkasten-Duell? Was bundesweit zum Einschlafen verführt, war auch in Mannheim selten lebhaft. Jetzt freilich, auf der Zielgeraden, nehmen manche Kandidaten die Watte aus dem Boxhandschuh. Vor allem die Frage, wer wann auf welchem Podium sitzt, führt mitunter zu Irritationen unter den Mitbewerbern.

So sorgt die Absage von drei von fünf Mannheimer Bundestagskandidaten bei einer Umwelt-Podiumsdiskussion derzeit bei Veranstaltern wie Parteien für schlechtes Klima: Da am Donnerstag bei der Klima-Allianz nur Dr. Gerhard Schick (Grüne) und Michael Schlecht (Linke) zugesagt hatten, sagt die Gastgeberin die Veranstaltung jetzt kurzerhand ab.

Entschuldigen wollte man freilich nur das Fehlen von Dr. Birgit Reinemund von der FDP, die beim Wahlkampfauftritt ihres Bundeschefs und Frontmanns Guido Westerwelle ja schlecht fehlen konnte. Die Gründe von CDU und SPD seien dagegen eher „schleierhaft“, kritisiert die Klima-Allianz in einer Presseerklärung und vermutet, die Zustimmung beider Parteien zum umstrittenen Kohlekraftwerk-Ausbau in Mannheim habe bei den Absagen von Stefan Rebmann (SPD) und Prof. Egon Jüttner (CDU) Regie geführt. „Quatsch“, empört sich der Sozialdemokrat gegenüber dem „MM“, er habe schlicht bereits vor dieser Einladung bei der AWO zugesagt – und sich sogar um einen Ersatz-Mann bemüht.

Rebmann und Schick scheinen sich in der Frage der Podiumsbesetzungen mittlerweile auf Egon Jüttner eingeschossen zu haben. Die Lunte brennt erst recht sei Jüttners „Nein“ zur Klima-Diskussion: Der Sozialdemokrat und der Grüne werfen Jüttner vor, er habe sich im Wahlkampf bereits vor bis zu sechs Podien „gedrückt“. So sei der CDU-Stuhl etwa bei drei Einladungen von ver.di, bei der schwul-lesbischen Initiative und bei den Naturfreunden leer geblieben. Das will Jüttner keinesfalls so mir nichts dir nichts auf sich sitzen lassen: „Eine Frechheit ist das“, empört sich der Kandidat, er habe sich noch nie gedrückt, soviel sei schon mal klar. „Und man kann auch nicht auf jedem Podium sitzen, dafür gibt es in Mannheim zu viele“, schließlich habe er ja auch noch andere Termine wahrzunehmen. Und überhaupt: „Ich lasse mir doch nicht von den anderen“ – er meint seine Mitbewerber – „vorschreiben, wo ich zu erscheinen habe.“

Mit harscher Kritik in einem Internetforum der afrodeutschen Community muss sich derweil auch Thomas Hornung (Grüne), Mitarbeiter Gerhard Schicks, auseinandersetzen. Er soll in Diskussionen mit einer dunkelhäutigen Studentin am Rande des Wahlkampfauftritts von Jürgen Trittin am vergangenen Mittwoch und tags darauf in Schicks Büro zumindest einmal das Wort „Negerplakat“ verwendet haben – ein Vorwurf, den Hornung vehement bestreitet. Er sieht sich im Gegenteil sogar verleumdet.

Hintergrund des Streits ist der Unmut der jungen Frau über ein Wahlplakat eines Grünen-Kreisverbands in Nordrhein-Westfalen, welches das Gesäß einer schwarzen Person, an das zwei weiße Hände greifen und die Aufschrift: „Für uns der einzige Grund, schwarz zu wählen“, zeigt. Davon, so Hornung, habe sich die Partei bereits vor Wochen distanziert. Eine E-Mail, in der er nach den beiden Disputen „Missverständnisse bedauert“, will die Studentin jedoch nicht als Entschuldigung akzeptieren.

Auch wenn bis Sonntag kein gemeinsames Podium mehr alle fünf Kandidaten zusammenführt – im Endspurt des Wahlmarathons fährt so mancher jetzt dafür seine Ellbogen aus.