Mannheimer Morgen, 27. November 2009 (von Anke Philipp)

Wahl oder Berufungsverfahren? Mit Mehrheit verabschiedete der Gemeinderat in dieser Woche vier „integrationspolitische Leitziele“ und sprach sich gleichzeitig gegen eine weitere Wahl des Migrationsbeirates aus. Grund ist die mangelnde Beteiligung bei den letzten Wahlen sowie die von einzelnen Nationalitäten dominierte Listenaufstellung, die kaum das Spektrum anderer Interessenlagen abdeckte. „Ein Feigenblatt“ sei das Migranten-Gremium zuletzt gewesen, nur „mit sich selbst beschäftigt“, lauteten Kritikpunkte bei der Sitzung im Stadthaus.

Künftig sollen die 20 Mitglieder des Migrationsbeirats von einer Kommission berufen werden, in der neben Migranten auch Vertreter des Gemeinderats sitzen. Der Migrationsbeirat soll die Interessen der ausländischen Mitbürger besser als bisher vertreten. „Wir wollen damit ein Mehr an politischer Diskussion und Beteiligung realisieren“, sagte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, der sich durch die Präsenz der Menschen auch in anderen Ausschüssen eine Stärkung der Arbeit erhofft.

Ein Drittel Migranten

Ganz wohl war den Politikern bei ihrer Entscheidung allerdings nicht. Einerseits gibt es kaum Erfahrungen mit einem derartigen Vorgehen. Andererseits hatten sich die gewählten, scheidenden Migrantenvertreter gegen die Berufung ausgesprochen. Noch dazu ist es den Parteien selber – trotz der hehren Grundsätze – bei der Kommunalwahl im Sommer nicht gelungen, Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt in den Gemeinderat zu bringen. Dabei ist Mannheim schon lange eine Einwanderungsstadt, in der aktuell rund 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweisen – mit wachsendem Potenzial.

Ein Teil der Politiker lobte denn auch die neu verabschiedeten „integrationspolitischen Ziele und Grundsätze“ als „wichtigen Schritt in die Stadtgesellschaft“. Andere dagegen kritisierten den Kanon als allgemein und eher unverbindlich. Laut Leitlinien soll eine „migrationsbedingte Unterstützungsstruktur“ sichergestellt, mehr Teilhabe ermöglicht und das gemeinsame Zusammenleben in einer weltoffenen und internationalen Stadt weiterentwickelt werden. Nun müssten diese Aussagen „nur noch mit Inhalt gefüllt werden“, sagte Volker Beisel (FDP). Marianne Bade (SPD) wünschte sich, dass „die Gesellschaft es auch zulässt, dass sich die Menschen hier integrieren“.

Durch das Berufungsverfahren werde indes „ein Stück direkter Demokratie weggenommen und für eher weniger Teilhabe an der Kommunalpolitik gesorgt“, kritisierte Gudrun Kuch (Linke) das Vorgehen. Außerdem wollte sie wissen: „Wer bestimmt eigentlich die Kommission, wer wählt da aus?“ Eine Frage, die noch nicht beantwortet wurde. Für Thomas Trüper (Linke) daher ein „Konstruktionsfehler“. Der Gedanke der Berufung stärke vielleicht die inhaltliche Qualität, grenze aber wiederum andere aus. Für die Grünen plädierte Mathias Meder dafür, die Neubesetzung durch Berufung nur als Übergangslösung zu einem gewählten Gremium zu betrachten. Meder: „Eine Mischform wäre uns lieber gewesen.“ Der OB verteidigte das Vorgehen: Ziel sei, „die Dinge zusammenzuführen und nicht auszugrenzen“. Und: „Das ist der Versuch, über eine Berufungskommission Menschen einzubeziehen und möglichst viele Interessen zu erreichen.“