Mannheimer Morgen, 3. März 2010 (von Heiko Brohm)

Der Familienpass ist wieder da – und bleibt dabei einer der wenigen, großen parteipolitischen Streitpunkte im Gemeinderat. Eine weitreichende Einigung wie bei den Betreuungsgebühren für die Kindertagesstätten am Tag zuvor gab es nicht, stattdessen setzte sich die neue, linke Mehrheit im Rat durch: SPD, Grüne und Die Linke brachten den „Familienpass Plus“ auf den Weg. CDU, FDP und Mannheimer Liste lehnten das Vorhaben als unfinanzierbar ab und trugen stattdessen nur den bisherigen Familienpass mit – der seit Anfang des Jahres auf Eis lag.

Ab Mai gibt es also zwei Varianten: den Familienpass für alle wie bisher und den Familienpass Plus für sozial schwache Familien. Die eigentliche, weitreichende Ausweitung ist die Mobilitätskomponente: Kinder zwischen sechs und 18 Jahren aus Hartz-IV-Familien können sich so ein deutlich verbilligtes Maxx-Ticket der RNV kaufen. Sie bezahlen künftig je nach Alter dafür nur noch zehn oder elf Euro pro Monat, der volle Preis liegt derzeit bei 33,50 Euro. Zudem dürfen sie ab Mai kostenlos in die Mannheimer Museen (ohne Sonderausstellungen), zwei Kurse an der Abendakademie stehen ihnen für fünf Euro zur Verfügung, genauso wie ein Ferienticket für alle Freibäder in den Pfingst- und Sommerferien ebenfalls für fünf Euro. Das Kinder-Bäderticket gibt es für zehn Euro auch für Familienpass-Inhaber. Weitere Erweiterungen sollen geprüft werden.

Das neue Paket hat seinen Preis. Zu den 440 000 Euro, die für den bisherigen Familienpass eingeplant waren, kommen noch mal 436 000 Euro dazu – mindestens. Denn die gesamte Berechnung beruht darauf, dass höchstens 20 Prozent der Bezugsberechtigten den Pass auch anfordern.

Nachhaltig unbezahlbar

Die langwierige, von Beratungspausen und Grüppchenbildung unterbrochene Diskussion drehte sich denn auch hauptsächlich um die Finanzen: Nicht nur CDU, FDP und ML, auch Oberbürgermeister Peter Kurz wandte sich „aufgrund der Haushaltslage“ gegen die Ausweitung. Die allerdings war da schon von der Mehrheit abgesprochen. „Die Erweiterung fordern wir seit zehn Jahren“, sagte Gabriele Thirion-Brenneisen für die Grünen, „jetzt haben wir durch die Sitzverteilung auch die Möglichkeit, sie zu beschließen.“ Dr. Stefan Fulst-Blei, Fraktionschef der SPD, betonte das Ziel, „auch den Menschen das Recht auf Teilhabe zu gewähren, die es sonst nicht wahrnehmen könnten“.

Carsten Südmersen, Fraktionschef der CDU, wetterte dagegen über „die Katastrophe“. „Das hat doch mit dem Familienpass nichts zu tun, Sie führen durch die Hintertür den alten Sozialpass wieder ein und begünstigen so die Kinder von Hartz-IV-Empfängern“. Die FDP sieht in dem Vorhaben ein „Tollhaus des Bürokratismus“, das, so Fraktionschef Volker Beisel, „wirklich nachhaltig ist. Nachhaltig unbezahlbar.“

OB Kurz brachte schließlich einen Kompromiss ins Spiel, den SPD und Grüne nach einer Beratungspause aufgriffen: Um das Risiko zu minimieren, wird eine Deckelung eingeführt. Sind die 436 000 Euro für den erweiterten Pass ausgegeben, ist erstmal Schluss – dann müssen die Stadträte entscheiden, wie es weitergeht.

Am Rande der Sitzung wurde auch deutlich, dass es ein ähnliches Angebot für das Maxx-Ticket schon heute gibt – offenbar aber so gut versteckt, dass es derzeit nur 150 Schüler aus Hartz-IV-Familien in ganz Mannheim nutzen. Anspruch hätten derzeit rund 1400 Schüler. In Zukunft haben rund 7000 Kinder in Mannheim Anspruch auf den Familienpass Plus – so viele Sechs- bis 18-Jährige leben von Hartz IV.