Debatte um „Wolkenschieberei“

Kulturpolitik: Streit im Kulturausschuss um geplantes neues Haus für freie Szene in Konkurrenz zu „großen Tempeln“

Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge- Mannheimer Morgen, 12.03.2012

Muss endlich Schluss sein mit der „akademischen Wolkenschieberei“ ohne Chance auf Verwirklichung, wie CDU-Stadtrat Dr. Jens J. Kirsch mahnte – oder wäre genau das „fatal“, wie Miriam Caroli (Grüne) warnte, weil man doch in der Kultur auf die „Tendenz weg von großen Tempeln“ reagieren muss? Kräftig gestritten wurde im Kulturausschuss, vordergründig um ein neues „Zentrum der Darstellenden Künste“, tatsächlich um die Verteilung des Kulturetats zwischen freier Szene und etablierten Einrichtungen insgesamt.

Click here to find out more!Auf Antrag von SPD und Grünen hatte das Kulturamt dem Ausschuss schon zum zweiten Mal – und nun konkreter – Ideen für ein neues „Zentrum der Darstellenden Künste“ unterbreitet. Es soll „Identifikationsort der freien Szene und kommunikativer Mittelpunkt für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Themen und Ästhetiken“ sein.

1,5 bis sieben Millionen Euro

Gedacht ist an „innovatives Haus“ als Probenbühne wie Spielstätte, Ort für bestehende Festivals und Forum für neue Ideen, mit Technikpool, aus dem Geräte auch verliehen werden, eigener Intendanz – und ohne Abstriche an der schon bestehenden Förderung für andere freie Theater in Mannheim. Als Standorte wurden der südliche Alte Messplatz/Neckarufer, die Turley Barrracks oder das Vögele-Gelände in die engere Wahl genommen. Je nach Programm sei von 1,5 bis acht Millionen Euro jährlicher Kosten auszugehen, heißt es in der Vorlage des Kulturamts.

Auf dieser Basis wollte das Kulturamt nun eine Machbarkeitsstudie angehen, bis zum Sommer Betreibermodelle, Finanzierung und Standort klären. Kulturbürgermeister Michael Grötsch hoffte dafür auf „große, breite Zustimmung“ – aber die wurde ihm verwehrt.

„Die Stadt ist nicht in der Lage eine weitere neue Kultureinrichtung, die zu großen Teilen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, einzurichten“, hielt ihm Dr. Jens J. Kirsch entgegen und brachte einen Antrag ein, die Pläne zu stoppen. Angesichts des hohen Sanierungsbedarfs bei den bestehenden, für Mannheim wichtigen Häusern wie dem Nationaltheater oder den beiden Museen sei es „nicht zu verantworten“, dafür Geld auszugeben. „Wir können doch nicht aus bestehenden Einrichtungen eine Million kürzen, wo soll das Geld denn herkommen“, fragte auch Claudius Kranz (CDU), und Rolf Dieter ((ML) bekräftigte: „Wir können nicht noch ein neues Haus draufpacken!“

„Wir dürfen Kulturförderung nicht nur auf Leuchttürme beschränken, die freie Szene bildet auch einen wichtigen Humus“, entgegnete Helen Heberer (SPD) und bekräftigte, dass das Land bereit sei, die Einrichtung mitzutragen. Mannheim brauche auch eine Veranstaltungsstätte, um „Interessen der jungen Szene bedienen zu können“, ergänzte Elke Stegmeier (SPD), wollte freilich noch geklärt haben, ob die bestehenden Mannheimer Einrichtungen der freien Szene „damit leben können, sonst haben wir Streit in der Stadt“. „Wir brauchen insgesamt viel mehr Raum für Kultur, nicht weniger“, meinte Gerhard Fontagnier (Grüne).

Auch kritische Stimmen

Gabriele Oswald (Zeitraumexit) plädierte klar für ein solches Zentrum und forderte die Stadträte auf, ihre „Scheuklappen“ abzulegen und „nicht immer nur das Bestehende zu fördern“. Der Kulturetat sei insgesamt schon „skandalös niedrig“. Thorsten Riehle (Capitol) räumte zwar ein, dass es in der freien Szene auch kritische Stimmen zu solch einem neuen Haus gebe, „aber wir sollten weiter über das Konzept nachdenken“.

Dr. Elke Wormer (FDP) wollte jedoch „erst schauen, wie hoch sich das Land beteiligt“ – und in diese Richtung präzisierten Kirsch und Steffen Ratzel (CDU) dann den Unionsantrag. Sie wollen die Planungen so lange stoppen, bis eine „maßgebliche Übernahme von Investitions- und Betriebskosten durch das Land“ sicher sei. „Wir sind ja nicht gegen die freie Szene, wollen uns aber keine neuen Folgekosten aufladen, denn es gibt auch andere wichtige Aufgaben“, so Ratzel. Abgestimmt wird über das Papier erst in der näch